5 min lu
24 Apr
24Apr

Der Schlüssel zum beiderseitigen Erfolg 

Einer der unterschätzten Aspekte ist das visuelle Gleichgewicht zwischen den Verhandlungsparteien. Bei Präsentationen und Verhandlungsgesprächen spielt nicht nur der Inhalt eine entscheidende Rolle, sondern auch die Art und Weise, wie Informationen visuell dargestellt werden. 

Dieser Artikel beleuchtet, warum eine ausgewogene visuelle Darstellung der beiderseitigen Vorteile ein Schlüsselelement erfolgreicher Verhandlungsführung ist. 


Die Psychologie des visuellen Gleichgewichts in Verhandlungssituationen 

Was bedeutet visuelles Gleichgewicht im Verhandlungskontext? 

Visuelles Gleichgewicht in Verhandlungen bezieht sich auf die ausgewogene Darstellung von Argumenten, Vorteilen und Angeboten beider Parteien. Ähnlich wie bei der Bildkomposition in der Fotografie, wo Balance "einen visuellen Flow erzeugt, der den Quadranten ein passendes Gegengewicht im Bild gibt", geht es in Verhandlungen darum, eine ausgewogene Darstellung zu schaffen, die keinen der Beteiligten visuell benachteiligt. 


Die Wahrnehmungsebene von Verhandlungen 

Jede Verhandlung findet nicht nur auf der sachlichen, sondern auch auf der Wahrnehmungsebene statt. Die Art, wie Informationen präsentiert werden, beeinflusst, wie sie vom Gegenüber aufgenommen und bewertet werden. 

Unsere Wahrnehmung filtert Informationen und bewertet sie unterbewusst nach Fairness und Ausgewogenheit. 


Wissenschaftliche Grundlagen des Einflusses visueller Balance 

Das Elaboration-Likelihood-Modell (ELM) bietet einen wertvollen Erklärungsansatz für die Wirkung visueller Darstellungen in Verhandlungen. Nach diesem Modell werden Informationen auf zwei verschiedenen Wegen verarbeitet: 

  • Die zentrale Route: "kognitiv, direkt, mit Fakten und Argumenten; dies ist angebracht, wenn das Involvement bzw. Interesse des Konsumenten (also die Motivation) und die Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten, hoch sind"
  • Die periphere Route: "über emotionale Umwege; dies ist zum Beispiel der Fall, wenn das Involvement des Konsumenten niedrig ist"


In Verhandlungssituationen werden Informationen oft über beide Routen verarbeitet. Die visuelle Darstellung kann dabei besonders die periphere Verarbeitung ansprechen und unterbewusste Bewertungen auslösen, die das Verhandlungsergebnis beeinflussen. 


Forschungsergebnisse zu Gleichgewicht und Fairness-Wahrnehmung 

Forschungsergebnisse zeigen deutlich, dass ein wahrgenommenes Ungleichgewicht negative Reaktionen hervorrufen kann. 

Eine bekannte Studie von Blount und Bazerman (1996) ergab, dass Teilnehmer weniger bereit waren, ein besseres finanzielles Angebot anzunehmen, wenn sie glaubten, andere würden noch mehr erhalten. 

Das verdeutlicht, wie stark relative Vorteile in Verhandlungssituationen gewichtet werden. Diese Erkenntnisse decken sich mit weiteren Forschungen zum sogenannten "Framing-Effekt", der zeigt, wie die Darstellung von Informationen deren Interpretation beeinflusst. 

"Der Darstellungseffekt im Recht" und entsprechende Studien belegen, dass selbst erfahrene Verhandlungsführer nicht immun gegen solche Effekte sind. 

Was meine ich mit "im Recht"? An einem Beispiel im rechtlichen Kontext erklärt:

  • Variante A: „Die Wahrscheinlichkeit, dass der Beklagte erneut straffällig wird, liegt bei 30 %.“
  • Variante B: „Es besteht eine 70%ige Wahrscheinlichkeit, dass der Beklagte nicht rückfällig wird.“

Obwohl die Zahlen faktisch gleich sind, lösen sie unterschiedliche Reaktionen aus, selbst bei Richter:innen.


Warum Ihre Vorteile nicht visuell dominieren sollten 

Der psychologische Aspekt des Gleichgewichts 

Ähnlich wie in der Bildkomposition, wo "ein ausgewogenes Foto ruhiger als eines erscheint, das die visuelle Aufmerksamkeit auf die eine oder andere Seite verlagert", kann eine ausgeglichene Darstellung von Vorteilen in Verhandlungen zu einer ruhigeren, konstruktiveren Atmosphäre führen.

Wenn Ihre Argumente oder Vorteile visuell überproportional dominieren, kann dies beim Gegenüber schnell den Eindruck erwecken, benachteiligt zu werden. Diese subjektive Wahrnehmung eines Ungleichgewichts kann zu defensiven Reaktionen führen – selbst wenn das Angebot objektiv betrachtet fair ist. 


Die Bedeutung der Selbst- und Fremdwahrnehmung 

Die Art und Weise, wie Einzelpersonen die andere Partei in einer Verhandlung wahrnehmen, kann das Verhandlungsergebnis erheblich beeinflussen. 

Eine visuelle Dominanz kann als Ausdruck von Überheblichkeit oder mangelndem Respekt interpretiert werden und so die Wahrnehmung des Verhandlungspartners negativ beeinflussen. 


Praktische Umsetzung: So schaffen Sie visuelles Gleichgewicht 

Um ein visuelles Gleichgewicht in Ihren Verhandlungen zu schaffen, können Sie verschiedene Visualisierungstechniken nutzen: 

  1. Nutzen Sie Flipcharts oder Whiteboards: Nutzen Sie ein Whiteboard, das sich heute ja in fast jedem Besprechungsraum befindet, um den Stand der Verhandlung zu dokumentieren. Diese Methode erlaubt es Ihnen, beide Seiten der Verhandlung gleichwertig darzustellen.
  2. Balance in der Bildgestaltung: Übertragen Sie Prinzipien der visuellen Balance aus der Fotografie und Grafikdesign auf Ihre Präsentationsmaterialien. Beim perfekt ausbalancierten Foto besteht eine Ausgewogenheit zwischen der linken und rechten Bildhälfte – dieses Prinzip lässt sich auf Präsentationsfolien übertragen.
  3. Gemeinsames Verständnis fördern: Visuelles Repräsentieren unserer Gedanken und Ideen kann das eigene Verständnis von komplexen Konzepten erhöhen. Ein Nebeneffekt dabei ist, dass dies auch das Verständnis innerhalb einer Gruppe fördern kann.

 

Konkrete Tipps für die Umsetzung 

  • Setzen Sie Ihre Körpersprache ein: Versuchen Sie, entspannt zu bleiben und sich vom Tisch zurückzulehnen. Eine ausgeglichene, offene Körpersprache unterstützt das visuelle Gleichgewicht der Gesamtsituation.
  • Strukturierte Darstellung: Präsentieren Sie Ihre Vorteile klar strukturiert und visuell ähnlich gewichtet wie die Angebote Ihres Gegenübers.
  • Betonen Sie die beiderseitigen Vorteile: Stellen Sie klar heraus, wie beide Seiten von der Vereinbarung profitieren, ohne eine Seite visuell zu bevorzugen.
  • Alignment oder Abstimmung: Durch die visuelle Darstellung kann sichergestellt werden, dass alle vom Gleichen sprechen. So können (inhaltliche) Missverständnisse vermieden werden.


Beispiel für eine schlechte Visualisierung in einer Verhandlung

Schlechtes Beispiel visuelle Verhandlung


Sie als Anbieter zeigen nur ihre eigenen Vorteile in einer langen Liste:

Ihre Vorteile
– Faire Preisgestaltung
– Hochwertige Produkte
– Zuverlässiger Kundenservice
– Individuelle Beratung
– Technischer Support
– Schnelle Lieferung
– …

Und keine Vorteile ihres Gegenübers werden erwähnt.

Was entsteht beim Empfänger?

Ein Gefühl von Einseitigkeit, vielleicht sogar: „Okay, sie wollen nur verkaufen – aber was ist mit meiner Position?“

Beispiel für ein gelungenes visuelles Gleichgewicht in einer Verhandlung 

Positives Beispiel für eine gelungene Verhandlung


Statt eine lange Liste ihrer eigenen Vorteile zu präsentieren, ist eine ausgewogene Darstellung effektiver:

Ihre Vorteile als Einkäufer

  • Faire Preisgestaltung
  • Hochwertige Produkte
  • Zuverlässiger Kundenservice

 Unsere Vorteile als Lieferant

  • Langfristige Geschäftsbeziehung
  • Zuverlässige Abnahme
  • Positive Referenz


Diese visuelle Ausgewogenheit signalisiert Wertschätzung und Respekt gegenüber dem Verhandlungspartner. 

Wer Respekt zeigt, baut Vertrauen auf, entwickelt ein gutes Verhältnis und signalisiert der anderen Partei, dass man ihren Standpunkt ernst nimmt. 


Visualisierung in Online-Verhandlungen 

Gerade in Online-Verhandlungen bieten sich zusätzliche Möglichkeiten: Nutzen Sie die Bildschirmteilen-Funktion, um beide Seiten der Verhandlung gleichwertig darzustellen. Dies schafft Transparenz und visuelles Gleichgewicht. 


Visuelles Gleichgewicht als Erfolgsfaktor 

Die bewusste Gestaltung eines visuellen Gleichgewichts in Verhandlungssituationen ist weit mehr als eine ästhetische Frage. Sie beeinflusst, wie Ihr Gegenüber Ihre Angebote und Argumente wahrnimmt und darauf reagiert. 

Durch eine ausgewogene visuelle Darstellung schaffen Sie eine Atmosphäre gegenseitiger Wertschätzung und fördern eine konstruktive Verhandlungsbasis.

Die Berücksichtigung des visuellen Gleichgewichts kann den entscheidenden Unterschied ausmachen zwischen einer Verhandlung, die im Konflikt endet, und einer, die zu einer für beide Seiten zufriedenstellenden Einigung führt. 

Investieren Sie daher Zeit und Aufmerksamkeit in die ausgewogene Gestaltung Ihrer Präsentationen und Visualisierungen – es wird sich in Form von besseren Verhandlungsergebnissen und langfristigen Geschäftsbeziehungen auszahlen.




Quellen in Englisch:

  • Blount, S., & Bazerman, MH (1996). Die inkonsistente Bewertung absoluter und komparativer Vorteile bei Arbeitsangebot und Tarifverhandlungen. Journal of Economic Behavior & Organization, 30(2), 227-240.
  • Petty, RE, & Cacioppo, JT (1984). Quellenfaktoren und das Elaboration-Likelihood-Modell der Überzeugung. ACR North American Advances.

Inscrivez-vous pour en savoir plus

Accès illimité à tout notre contenu !

S'abonner
Commentaires
* L'e-mail ne sera pas publié sur le site web.